HOAI und Niedergang
Gebäudewirtschaft: Der größten deutschen Branche geht es schlecht.
Staatliche Eingriffe und Dirigismus (z.B HOAI )lassen ineffiziente, unprofitable Wirtschaftsstrukturen entstehen. Bei der Bauwirtschaft wird dies durch Mittelabfluss aus anderen Wirtschaftssegmenten kaschiert, durch Quersubventionen über die Sozial- und Steuerkassen.
Die Baubranche hat in Deutschland mehr Wertschöpfung als die Automobilindustrie. Das Bauen und Unterhalten von Gebäuden trägt mehr zum Bruttosozialprodukt bei als die Chemie- und Pharmabranche, die heutige Nummer eins. Die Volkswirtschaft eines Industrielandes sollte Gebäude effizient und in guter Qualität produzieren und betreiben können. Die Politik sollte die Entwicklung einer Gebäudewirtschaft gezielt fördern. Seit dem Mauerfall macht sie genau das Gegenteil. Das Bauen wird für die Bedienung von Partikularinteressen und Machtsicherung verfügbar gehalten. Es wird eine regelrechte Misswirtschaft gefördert. Drei Aspekte dazu werden nachfolgend beschrieben.
1. HOAI – Guter Rat ist teuer, schlechter kostet auch nicht weniger
Deutschland hat ein weltweit einmaliges gesetzlich verankertes System, das die Bezahlung von Architektur- und Ingenieursleistungen regelt, die Honorarordnung für Architekten- und Ingenieursleistungen (HOAI). Es ist die heilige Kuh des deutschen Bauwesens. Daran zu zweifeln, ist ein Sakrileg ersten Ranges. Die Branche glaubt geschlossen an die Heiligkeit der Kuh; schließlich ist sie ja schon fast 100 Jahre alt. In einem Erlass wird über hunderte Seiten beschrieben, wem der Bauherr zu welchem Zeitpunkt wie viel zahlen muss. Was er dafür erhält, wird auf diesen hunderten Seiten nicht fixiert. Die Leistung, die geschuldet wird, ist nur schwammig, unklar und kaum einklagbar beschrieben. Dafür ist sind die Zahlungen des Bauherrn umso klarer und für alle verbindlich beschrieben. Um dies zu illustrieren, nachfolgend ein Zitat aus dem Positionspapier eines Baudezernates einer großen deutschen Stadt. „Aussserdem hat die Erfahrung gezeigt, dass häufig nur mit beträchtlichem Aufwand Leistungen der HOAI einzufordern sind“ Je größer und teurer das Bauwerk wird, umso mehr Geld muss der Bauherr bezahlen. Wenn der Bauherr vor Spatenstich schlecht beraten und aufgeklärt wurde und viele Nachträge und Änderungen fällig werden, so winken fette Zusatzeinnahmen. Der Bauherr kommt da nicht mehr raus. Er muss zahlen. Da schlechte und faule Ratgeber genauso viel Geld in Rechnung stellen können wie gute, fleißige, hat sich die Branche nicht auf Leistung und Qualität ausgerichtet. Mit der Honorarordnung für Architekten- und Ingenieurleistungen (HOAI) greift der deutsche Staat in einer einzigartigen Weise in den Markt ein. In den anderen industriellen Ländern der Erde regelt der freie Markt über den Wettbewerb von Qualität, Leistung und Effizienz das Verhältnis von Bauherren und Architekten/Ingenieuren. Kein anderes Land blamiert sich mit seinen Bauprojekten mehr als Deutschland. Das liegt nicht an der Qualität der Bauleute. Wir haben einfach ein völlig überkommenes und falsches staatliches Anreizsystem. Die am Bauen beteiligten Architekten und Ingenieure haben über die Honorarordnung keinen wirtschaftlichen Anreiz, effizient im Sinne des Bauherrn zusammenzuarbeiten. Ganz im Gegenteil versucht jeder, einen möglichst großen Anteil des Bauvorhabens in seinen Honorarbereich zu bekommen und diesen Anteil auch als absolute Summe möglichst groß werden zu lassen. Diese Art Konkurrenz ist zum Nachteil des jeweiligen Bauherrn. Die volkwirtschaftlich jedoch verhängnisvollste Wirkung des staatlich verordneten Bezahlungssystems ist das völlige Ausblenden von Qualität und Effizienz der geleisteten Arbeit. Ein Gebäude von schlechter Qualität und aufwändigem Betrieb bringt genauso viel Honorar wie ein Gebäude von hoher Qualität und sehr effizientem Betrieb. Das staatliche Bezahlungssystem HOAI hört praktisch mit dem Einzug der ersten Gebäudenutzer auf. Die deutschen Architekten und Ingenieure erbringen für mehr als 10 Mrd. Euro pro Jahr Design- und Entwicklungsleistungen für Bauwerke, deren Qualität und Kosten in der Nutzung sie nicht kennen. Die gesetzliche vorgegebene HOAI engt den Horizont der Ingenieure und Architekten zeitlich bis zur Übergabe eines Bauwerkes ein.
Stellen Sie sich vor, diese sehr gut ausgebildeten und fähigen Fachleute hätten einen materiellen Vorteil, wenn Gebäude gut gebaut und günstig betrieben werden können. Dann wurde diese Fachleute und Verbände sich aktiv gegen unsinnige technische Vorgaben in Form von Normen und Verordnungen wehren, statt, wie heute, diese noch zu fördern. Dann wäre es auch nicht mehr attraktiv, sich seine Planungs- und Engineeringarbeit von Verkaufsingenieuren angesehener Bauproduktehersteller machen zu lassen, welche im Gegenzug ihre überteuerten Produkte in die Spezifikationen von Bauausschreibungen bekommen. So wird der Wettbewerb der Produkthersteller von Effizienz und Produkten auf die Bearbeitung von Architekten- und Ingenieurbüros verlagert. Das macht das Bauen nicht nur teurer, sondern auch schlechter.
2. Firmen schrumpfen, obwohl der Bauumsatz wächst. Das ist sehr ungesund.
Die großen Firmen gehen insolvent oder werden von ausländischen Konzernen aufgekauft. Es gibt keinen deutschen Baukonzern mehr. Firmen mit mehr als 200 Beschäftigten erwirtschaften in Deutschland nur noch 15,1 Prozent des Branchenumsatzes. Dafür steigt der Anteil von Kleinfirmen prozentual ständig an. 1995 hatten 77,5 Prozent der Baufirmen weniger als 20 Mitarbeiter. Inzwischen gehören schon 90 Prozent aller Firmen in die Kleinkategorie. Die gesunde wirtschaftliche Entwicklung einer Branche zeigt sich an Firmen, die wachsen. Bei der Baubranche wird hingegen geschrumpft. Industrielle Effizienz und Qualität benötigen eine gewisse Größe, aber die deutsche Bauindustrie entwickelt sich zurück zum Handwerk und das Bauhandwerk entwickelt sich zur Ich-AG-Branche. Genauso wie der Bauindustrie geht es auch den Planungs- und Architekturbüros. Auch in dieser Branche gibt es einen generellen Trend zum kleiner werden. Es gibt kaum noch große, professionell strukturierte Ingenieursunternehmen beim Bauen in Deutschland. In der kleinen Schweiz gibt es Unternehmen mit 700 Ingenieuren. In Deutschland ist man mit 100 Leuten schon sehr groß. Dies lässt sich nur durch die negativen staatlichen Einwirkungen erklären.
In Deutschland sichert die staatliche Ordnung des Bauwesens bei Ausschreibungen eine unvergleichliche Angebotspreisspirale nach unten. Alles nur, damit jeder regierende Politiker ein fast beliebig tiefes Budget erreichen kann. Jedes noch so irrige Projekt lässt sich dank diesem Spiraleneffekt noch als finanziell machbar verkaufen. Zur eigenen Absicherung entledigt der deutsche Staat den Bauherren von Gesetzes wegen noch des Risikos der übertriebenen Kostensenkung durch Schwarzarbeit, Scheinselbstständigkeit und bankrotten Unterlieferanten. An allem, was an Bösem im Bauprojekt geschieht, ist der Auftragnehmer schuld. Der Bauherr hat den Persilschein. In der Schweiz ist das ganz anders geregelt. Für alle nicht gezahlten Steuern und Abgaben ist der Bauherr verantwortlich; bei öffentlichen Baumaßnahmen also der Staat. Gehen Firmen pleite, können die Unterlieferanten ihre Leistungen und Lieferungen direkt beim Bauherren einfordern. Wer will da noch auf Lockangebote windiger Baufirmen einsteigen? Das Risiko wäre zu groß.
3.Quersubvention durch andere Wirtschaftbereiche: Über Steuer- und Sozialkassen Die Lasten von Steuern und Sozialabgaben werden vom Bau auf andere Branchen abgewälzt. Beim Abbau von regulären Arbeitsplätzen beim Bauen ist die öffentliche Hand der Vorreiter. Die staatliche Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen (VOB) drängt die Auftragnehmer dazu, Bauleistungen von Menschen mit nichtregulären Arbeitsverhältnissen machen zu lassen. Das ist kein Gerücht und keine Unterstellung. Hier kommen die Zahlen: Der Anteil der sozialversicherungspflichtigen Arbeitsstunden pro Milliarde Bauleistung zeigt dies eindeutig (Quelle: Statistisches Bundes- amt: ausgewählte Zahlen für die Bauwirtschaft). Von 2002 bis 2013 stieg der baugewerbliche Umsatz des Hochbaus von 54,2 auf 61,3 Mrd. Euro, d. h. um 13 Prozent. Die regulären sozialversicherungspflichtigen Arbeitsstunden gingen von 654 Mio. auf 581 Mio. Stunden, d. h. um 11,2 Prozent zurück. Anteilig ging die Anzahl der regulären Arbeitsstunden um 21 Prozent zurück. Es fehlen also im Jahr 2013 154 Mio. Stunden. Der gewerbliche Hochbau, also weitgehend professionelle Bauherren, hatten von 2002 auf 2013 ein Wachstum um 1,9 Prozent im Umsatz und zahlten 18 Prozent weniger reguläre Arbeitsstunden dafür. Diese Bauherren, die für profitorientierte Unternehmen bauen, zahlen für ihre bezogene Bauleistung anteilig 19 Prozent weniger Sozialversicherung und Lohnsteuer. Bei Hochbauprojekten der öffentlichen Hand stieg das Bauvolumen von 2002 bis 2013 um acht Prozent. Dafür wurden 21 Prozent weniger reguläre Arbeitsstunden bezahlt. Der öffentliche Bau als Teil des Staatswesens hat es innerhalb von zehn Jahren geschafft, für Bauleistungen anteilig 26,6 Prozent weniger Sozialversicherung und Lohnsteuer zu bezahlen! Öffentliche Bauherren haben von 2002 auf 2013 den Druck auf reguläre Arbeitsverhältnisse stärker erhöht als private und gewerbliche Bauherren.
Die ganze Misswirtschaft beim Bauen schadet allen und nützt ganz wenigen.